Inhaltsbeschreibung
Die Terroranschläge vom 11. September 2001 markieren für viele den Beginn eines neuen Zeitalters. In ihrer Brutalität negierten sie die Selbstwahrnehmung der USA als globale Vormacht und ein politisches Weltbild, das auf die Unverbrüchlichkeit universeller Werte oder die realpolitische Verständigung über weltanschauliche Trennlinien setzte. Oft verstelle, so der Islamwissenschaftler Stefan Weidner, die Auseinandersetzung mit den Folgen der Anschläge den Blick auf die politischen, ökonomischen und mentalen Wurzeln des Feindbildes USA, insbesondere in der islamischen Welt. Sie seien in der Kolonialherrschaft und den Stellvertreterkonflikten des Kalten Krieges im Globalen Süden zu suchen, zudem in innerislamischen Debatten und einem ambivalenten Verhältnis zur Moderne.
Weidner analysiert anhand zentraler Ereignisse - die Islamische Revolution in Iran, die Ermordung des ägyptischen Staatspräsidenten Anwar as-Sadat, die Besetzung der Großen Moschee von Mekka und der sowjetische Krieg in Afghanistan - das Geflecht aus Entwicklungen und Stimmungen, das den Anschlägen vorausging. Er interpretiert 9/11 als Amalgam wirkmächtiger globaler Fehlentwicklungen wie Ungleichheit und Unrecht, Nationalismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Solange deren Ursachen und Dynamiken nicht verstanden und bearbeitet würden, blieben Antworten auf die großen Herausforderungen der Gegenwart widersprüchlich und unzureichend.